Fokus Forderungsmanagement – so wird 2022 in den Niederlanden

gel, Corona, Energiekrise – auch in den Niederlanden wird das Jahr 2022 spannend. Wird es auch schwierig? Und welche Folgen ergeben sich daraus für die Abläufe im Forderungsmanagement? Wir haben mit Aart-George Broekema, Product Director Corporate & Agencies von Aryza in den Niederlanden, über die Situation in seinem Heimatland gesprochen.

Das Jahr 2022 ist bereits jetzt geprägt durch viele Unsicherheiten. Welche Bereiche sind in den Niederlanden besonders gravierend?
Aart-George Broekema Viele Probleme, die wir derzeit in den Niederlanden haben, sind ähnlich zu den Problemen in Deutschland. Angefangen bei explodierenden Gaspreisen, über den Fachkräftemangel, bis hin zu den Gefahren, die nun durch die Inflation drohen. Und natürlich die Pandemie, unter der insbesondere diejenigen Menschen leiden, die zum Beispiel in der Gastronomie, Kultur und dem Servicesektor arbeiten. Vieles hängt nun davon ab, wie die niederländische Regierung weiter mit der Situation umgeht. Ob sie zum Beispiel staatliche Hilfsmaßnahmen verlängert. Hinzu kommt das derzeit stürmische politische Klima in der Welt, insbesondere mit der schwierigen Situation zwischen Russland und der Ukraine. Das birgt einige Unwägbarkeiten.

Das hört sich düster an, wie schlagen sich all diese Entwicklungen in der Wirtschaft nieder?
Aart-George Broekema Wir rechnen immer noch damit, dass die Unternehmensinsolvenzen ansteigen werden. Anders als in Deutschland, wo die Situation gemäßigt ist, liegt die Prognose in den Niederlanden derzeit bei einem Anstieg von 26 %. Das ist natürlich dramatisch. Obwohl frühere Prognosen davon ausgingen, dass die Inflation bis Ende 2022 zurückgehen und sich 2023 stabilisieren würde, sind sich die Experten nicht mehr so sicher. Die Energiewende, steigende Covid 19-Zahlen und viele andere Faktoren sind Ursachen. In Verbindung mit dem Arbeitskräftemangel in einigen Sektoren und der Angst vor Zinserhöhungen wird dies zu einem geringeren Wirtschaftswachstum führen.

Wie bewerten Sie die wirtschaftliche Lage bei den Menschen vor Ort?
Aart-George Broekema Hier war die Entwicklung zuletzt positiv. Die Zahl der Menschen in den Niederlanden mit Zahlungsproblemen ist im vergangenen Jahr sogar gesunken. Dem „Kredietbarometer van Nederland“ zufolge sanken die Zahlen von fast 618.000 (Ende 2020) auf fast 594.000 (Ende September 2021). Einige unserer Kunden haben sogar kommuniziert, dass sie einen Rückgang ihrer ausstehenden Rechnungen verzeichnen konnten. Die Menschen sitzen derzeit auf ihrem Geld, es wird weniger konsumiert. Wegen der hohen Inflation, der Angst vor Zinserhöhungen und dem Insolvenzboom sinkt das Verbrauchervertrauen rapide und ist jetzt fast auf dem gleichen Stand wie zu Beginn der Pandemie. Das wird die Wirtschaft nicht ankurbeln und trifft vor allem diejenigen, die nicht das Glück haben, auf Erspartes zugreifen zu können. So wird die Zahl der Menschen mit Zahlungsproblemen im Jahr 2022 wahrscheinlich wieder ansteigen.

Einige Niederländerinnen und Niederländer sind unverschuldet durch den sogenannten „Kindergeld-Skandal“ in Schwierigkeiten geraten …
Aart-George Broekema Das ist richtig – und übrigens auch ein Thema, mit dem heute noch die Gerichtsvollzieher zu tun haben. Zwischen 2013 und 2019 haben die Behörden schätzungsweise 26.000 Eltern zu Unrecht beschuldigt, betrügerische Kindergeldanträge gestellt zu haben. Durch einen Fehler beim Ausfüllen eines Formulars konnten Betroffene in große Schwierigkeiten geraten. Einige dieser Menschen sitzen nun auf einem Schuldenberg von 25.000 Euro. Der Skandal wurde im September 2018 durch die Presse an die Öffentlichkeit gebracht. Es wurde inzwischen beschlossen, dass alle zu Unrecht beschuldigten Eltern eine Entschädigung in Höhe von mindestens 30.000 € erhalten. Einige Gerichtsvollzieher, die unsere Kunden sind, sind ebenfalls betroffen. Sie arbeiten mit der Regierung und der SBN (Sozialbank Niederlande) zusammen, um diesen Schuldnern Zugang zu ihren Schulden zu verschaffen, damit diese auch bearbeitet werden können.

Wer sind in den Niederlanden die Profiteure der schwierigen wirtschaftlichen Situation?
Aart-George Broekema Auch hier ist die Situation ähnlich wie in anderen Ländern. Baumärkte haben genauso von der Krise profitiert, wie der Online-Einzelhandel oder auch die Baustoffhändler. Aufgrund der Home Office-Regelung haben viele Menschen ihre Wohnungen zu Palästen umgestaltet. Profitiert haben auch Softwareunternehmen.

Wie sollten Unternehmen ihr Credit Management aufstellen. Sehen Sie bestimmte Trends?
Aart-George Broekema Grundsätzlich ist das natürlich von Unternehmen zu Unternehmen individuell zu gestalten. Einige Anhaltspunkte gibt es aber sicherlich: Im Credit Management ist ein wichtiger Hebel sicherlich der Ablauf der Prozesse. Hier kann Automatisierung einen Großteil der Arbeit abnehmen und die Effizienz deutlich erhöhen. Natürlich gilt auch immer: Kenne Deine Kundenklientel! Insbesondere die wichtigsten Kunden sollten regelmäßig mittels KPIs wie zum Beispiel Kreditwürdigkeit, Kreditlimits, Zahlungsbedingungenüberwacht werden. Gleichzeitig müssen Unternehmen verstehen, wie ihre Kundinnen und Kunden von den derzeitigen Entwicklungen betroffen sind, um proaktiv reagieren zu können. In der Vergangenheit reichte eine jährliche Überprüfung aus, aber angesichts der derzeitigen Marktdynamik wird dieser Zeitraum auf ein halbes Jahr oder sogar 3 Monate verkürzt.

Und im Debt Manangement?
Aart-George Broekema Im Debt Manangement steht für mich eine faire Kundenkommunikation im Mittelpunkt. Außerdem sollte es der Schuldnerin oder dem Schuldner möglichst einfach gemacht werden, seine Aufstände zu begleichen, d. h. mit möglichst wenig Klicks. Damit sind wir auch hier wieder bei einem möglichst intelligenten Prozess.