Interview: Mahnwesen Software im Automotive-Sektor – einfach und maximal flexibel

Jeroen Jansen gründete 2013 gemeinsam mit Marcel Blanken das Unternehmen S4Dunning (heute Aryza Dunning) in den Niederlanden. Von der einfachen und selbsterklärenden Bedienung der auf das Mahnwesen spezialisierten Software profitieren Unternehmen unterschiedlichster Branchen. 140 Kunden arbeiten heute mit Aryza Dunning. 

Die Einrichtung von Dunning (vormals S4Dunning) kann innerhalb weniger Tage umgesetzt werden. Wie genau sieht der Implementierungsprozess aus?
Jeroen Jansen: Nachdem mit dem Kunden ein Vertrag abgeschlossen worden ist, gehen wir gemeinsam in eine sogenannte Blueprint Session. Dort wird ein für das Unternehmen angepasster Workflow individuell festgelegt. Wir erarbeiten, welche spezifischen Funktionalitäten eingerichtet werden sollen. So werden in der Regel z. B. festgelegte Vorlagen und Templates für E-Mail und Briefpost erstellt usw.

Wie funktioniert die Verknüpfung von Kundendaten bestehender ERP-Systeme wie SAP, Oracle, Exact oder Microsoft Dynamics mit Dunning?
Jeroen Jansen: Das kann auf unterschiedliche Weise vonstattengehen. Manche ERP-Systeme erlauben eine Anbindung über eine API-Schnittstelle. Andere Systeme exportieren Kundenlisten über das CSV-Format. Diese Dateien importieren wir von Aryza-Seite für den Kunden und setzen so das System auf.

Welche Möglichkeiten gibt es für Nutzer von Dunning mit Gläubigern zu kommunizieren?
Jeroen Jansen: Der Standardweg ist, dass das per E-Mail oder ganz klassisch auf dem Postweg erfolgt.

Besteht die Möglichkeit, diese Kommunikation zu automatisieren?
Jeroen Jansen: In der Tat können viele Funktionen innerhalb von Dunning automatisiert werden. Der häufigste Fall ist allerdings immer noch, dass die Nutzer selbst bestimmen möchten, wann eine E-Mail oder ein Brief z. B. mit Zahlungserinnerungen an den Gläubiger verschickt wird.

Es gibt auch eine Dunning-App …
Jeroen Jansen: Das ist richtig. Die App ist z. B. für Mitarbeiter aus den Sales Departments sehr interessant, da sie viel unterwegs sind. Über das Smartphone können sie jederzeit Kunden-Informationen aus der App ziehen.

Ist Dunning für Unternehmen bestimmter Branchen besonders interessant?
Jeroen Jansen: Das kann man so nicht sagen. In unserem Portfolio sind Unternehmen verschiedenster Wirtschaftszweige, z. B. aus dem Automotiv- oder Logistikbereich, aus der Telefonie oder Zeitarbeit. Unternehmen, die mit ERP-Systemen wie SAP, MS Dynamics oder Exact arbeiten oder sogar noch Excel-Tabellen zur Verwaltung ihrer Mahnprozesse nutzen, profitieren besonders. Die Erfahrung zeigt, dass diese Unternehmen den Cashflow und die DSO dramatisch verbessern.

Beispiel: Automotive-Branche

Blicken wir einmal auf die Automotive-Branche: Warum ist die Nutzung von Dunning zum Beispiel für Autohändler besonders sinnvoll?
Jeroen Jansen Ich denke, dass sich Dunning aufgrund des Business Models für Autohändler besonders gut eignet. Die Struktur vieler Händler ist verzweigt, sie verkaufen unterschiedliche Marken an unterschiedlichen Standorten. In der einen Geschäftsstelle vielleicht Mercedes und Volvo, in einer anderen BMW usw. Mit Dunning lassen sich die Daten bedarfsgerecht nach Standort und Marke strukturieren. Zahlungserinnerungen könne nichtsdestotrotz gesammelt versendet werden.

Wie funktioniert das?
Jeroen Jansen Ein Beispiel: Eine Leasing-Gesellschaft erhält die bestellten Wagen oft von unterschiedlichen Standorten eines Autohändlers. Das ist einfach der Logistik geschuldet. Möglicherweise braucht ein Mitarbeiter in Groningen einen Mercedes A-Klasse. Dann ist es natürlich sinnvoll, dass er den Wagen von einer nahegelegenen Geschäftsstelle abholen kann. Das macht aber natürlich die Rechnungsstellung kompliziert.

Die Geschäftsbeziehung besteht demnach mit unterschiedlichen Standorten …
Jeroen Jansen Genau – und nicht nur das: oftmals sind nicht nur unterschiedliche Standorte, sondern auch unterschiedliche Firmen beteiligt. Es kann zum Beispiel sein, dass ein Händler auch Reparaturleistungen anbietet. Dieses Geflecht lässt sich in Dunning über unterschiedliche Administrations also unterschiedliche „Rechnungen schreibende Firmen“ abbilden und entwirren. Das funktioniert natürlich auch für den B2C-Sektor. Für B2B und B2C können innerhalb der Software verschiedene Workflows angelegt werden.

Hat Aryza eine spezielle Expertise im Automotive-Bereich?
Jeroen Jansen Der Automotive-Sektor gehört definitiv zu den Segmenten, wo wir uns sehr gut auskennen. Hier in den Niederlanden nutzen inzwischen rund 40 Automotive-Unternehmen Dunning. Wir haben in dieser Zeit natürlich voneinander gelernt und wissen inzwischen genau, welche Anforderungen in der Branche erwartet werden.

Ist der Einsatz von Dunning auch für kleinere Autohändler sinnvoll?
Jeroen Jansen Ja, einer unserer Kunden verwaltet z. B. „nur“ drei Standorte mit unserer Software In der Vergangenheit hat dieser Händler immer alle Zahlungserinnerungen pro Standort ausdrucken müssen und dann pro Fall entschieden, welches Schriftwerk wann rausgeht. Heute verwaltet und versendet er den Schriftverkehr digital über Dunning. Hinzu kommt, dass ein individueller Workflow aufgesetzt werden kann und nicht immer wieder neu über Prozesse entschieden werden muss. Als Daumenregel würde ich sagen, dass Händler, die zwei Marken im Portfolio haben und 3-4 Standorte unterhalten von Dunning stark profitieren können.

Dunning ist skalierbar und sehr flexibel. Was bedeutet das für den Nutzer?
Jeroen Jansen: Ist das System einmal aufgesetzt, ist es sehr einfach für die Nutzer z. B. neue Administratoren oder User hinzuzufügen; auch die Erweiterung um neue Unternehmensstandorte oder das Erstellen von individuellen E-Mail-Templates ist kinderleicht. Ich denke, wir haben es zudem geschafft, dass der Nutzer über unser Dashboard einen sehr schnellen Überblick über seine Aufgaben bekommt. Eine lange Einarbeitungsphase ist einfach nicht vonnöten.

An welchen neuen Funktionalitäten arbeiten die Software-Ingenieure von Aryza derzeit, um Dunning zu verbessern?
Jeroen Jansen: Derzeit sind wir damit beschäftigt, eine volle E-Mail-Integration aufzusetzen. Das funktioniert so: Antwortet ein Gläubiger auf eine E-Mail aus dem Dunning-System per reply, dann erkennt das unser System sofort und speichert diese E-Mail im entsprechenden Kundenprofil. Dunning-Kunden müssen sich also nicht mehr durch Outlook-Mails wühlen, um an bestimmte Informationen zu gelangen. Zudem sind wir derzeit damit beschäftigt, die grafische Oberfläche des Dashboards und der Reportings weiter zu optimieren.

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Zur Lösung

Durch den anhaltenden Lockdown der Hotellerie und Gastronomie sind natürlich auch deren Logistikdienstleister ebenso negativ betroffen wie Messe- und Event-Logistiker. Leichten Nachholbedarf gibt es auch noch im Bereich Automotive.

Kunden aus welchen Branchen bergen besondere Gefahren für die Transport- und Logistikbranche in Bezug auf drohende Zahlungsausfälle?
Frank Huster Durch den anhaltenden Lockdown der Hotellerie und Gastronomie sind natürlich auch deren Logistikdienstleister ebenso negativ betroffen wie Messe- und Event-Logistiker. Leichten Nachholbedarf gibt es auch noch im Bereich Automotive. Das gilt eingeschränkt auch für die Lieferlogistik des Einzelhandels, die aber größtenteils durch die Online-Handelslogistik kompensiert werden kann. Inzwischen sind auch System- und Stückgutlogistiker verstärkt im B2C-Markt aktiv, ohne den klassischen KEP-Dienstleistern Marktanteile abzunehmen. Die meisten Speditionshäuser haben eine heterogene Kundenstruktur über verschiedene Branchen hinweg. Mehrere Standbeine zu haben, hat sich als die richtige Strategie erwiesen.

Laut Zahlungsmoralbarometer des Kreditversicherers Atradius haben sich die durchschnittlichen Zahlungsfristen in der Corona-Pandemie branchenübergreifend mehr als vervierfacht: in Deutschland von 22 Tagen auf 92 Tage. Gilt ein ähnlicher Trend auch für die Logistikbranche?
Frank Huster Nein. Viele Speditionshäuser haben ihre Zahlungsströme kreditorisch und debitorisch angepasst und die Zahlungsmoral der Branche ist nach wie vor gut und zuverlässig. Speditionen vergüten ihre Transportdienstleister und Zulieferer derzeit in der Regel nach etwa 20 bis 30 Tagen.

Laut Atradius-Studie müssen Unternehmen aus der Transportbranche auf den Zahlungseingang nach Rechnungsstellung im Durchschnitt 200 Tage warten. Drohen dadurch Liquiditätsprobleme?
Frank Huster Das können wir absolut nicht bestätigen. Grundsätzlich muss man aber zwischen deutschen und ausländischen Auftraggebern, für die es vielfach längere Forderungslaufzeiten gibt, differenzieren. Bei Geschäftsbeziehungen mit Indien und den Arabischen Emiraten sind Forderungslaufzeiten von 120 Tagen nicht unüblich. Das sind aber Ausnahmen. Die Situation hat sich gegenüber der Vorkrisenzeit wenn überhaupt um 3-4 Tage verschlechtert, also nur geringfügig. Auch Zahlungsfristen von 60 Tage sind eher Ausnahmen, im Schnitt liegt die Frist bei 20 bis 40 Tagen. Zu erwähnen ist aber auch, dass einzelne industrielle Großverlader bereits in Vor-Pandemiezeiten ihre Logistikpartner zur Akzeptanz von Zahlungszielen von drei Monaten gedrängt haben. Insbesondere in der Kontraktlogistik treten Speditionshäuser nicht selten in Vorleistung. Mit der Corona-Krise hat das aber nichts zu tun. Das hängt vielmehr mit der Markt- und Einkaufsmacht dieser Großverlader zusammen. Angesichts der hohen Verkehrsleistungsnachfrage können sich viele unserer Mitgliedsunternehmen derzeit selbstbewusst von zahlungssäumigen Kunden trennen. Und bei Zahlungsausfall gibt es im Übrigen gemäß HGB die Möglichkeit, eine Sendung zu pfänden, also einen Container schlichtweg nicht auszuliefern.

Kurzarbeit hilfreiches Instrument

Die Insolvenzen befinden sich in Deutschland gesamtwirtschaftlich auf einem sehr niedrigen Niveau. Experten rechnen mit einem Nachzieheffekt, wenn staatliche Hilfsmaßnahmen wie die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, Kurzarbeit oder KfW-Kredite ausgelaufen sind. Die Rede ist von sogenannten Zombie-Unternehmen. Ist das in Ihrer Branche ähnlich?
Frank Huster Nein. Nennenswerte coronabedingte Insolvenzen sind im Sektor Spedition und Logistik angesichts guter Umsatzerwartungen und hohen Fachkräftebedarfs nicht zu erwarten. Im Teilmarkt des Straßengüterverkehrs setzt die osteuropäische Konkurrenz allerdings deutschen Unternehmen heftig zu. Eine Insolvenzwelle ist aber auch hier nicht zu erwarten. Um sich als Kreditor gegenüber Zombiefirmen abzusichern, haben viele Speditionshäuser ihr Forderungsmanagement konsequent optimiert und hierfür teilweise sogar neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angestellt.

Welche der zuvor genannten Instrumente haben aus Ihrer Sicht besonders gut funktioniert?
Frank Huster Ein hilfreiches Instrument war die Kurzarbeit, die von vielen Unternehmen zwar prophylaktisch angemeldet, aber am Ende kaum genutzt wurde.

Ist die Situation in der Logistikbranche national und international vergleichbar?
Frank Huster Im Grunde ja. Wie gesagt, sind Forderungslaufzeiten bei ausländischen Kunden meist etwas länger.

Die Corona-Krise hat in vielen Branchen einen Wandel zum Beispiel hin zu mehr Digitalisierung mit sich gebracht. Welche Innovationen sind durch die Schwierigkeiten bisher in der Transport- und Logistikbranche entstanden?
Frank Huster Die Krise war ein sehr guter Anlass, eigene Prozesse und Prozesse mit Kunden und Dienstleistern zu analysieren und weiter zu digitalisieren. Zur Reduzierung der Störanfälligkeit der Lieferketten wird das Supply-Chain-Management anspruchsvoller. Dazu braucht es ein engmaschiges Monitoring mit eindeutiger Vertragsgestaltung und hoher Transparenz. Insbesondere bei internationalen Projekten kontrollieren Logistiker verstärkt Kosten und Kapazitäten der Lieferketten. Viele Speditionshäuser können durchaus gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Zur Person

Frank Huster ist seit 2013 Hauptgeschäftsführer des DSLV Bundesverband Spedition und Logistik, dem Spitzenverband für die 3.000 führenden deutschen Speditions- und Logistikunternehmen. Begonnen hat der Volkswirt und gelernte Speditionskaufmann seine Verbandsarbeit im Jahre 1992 für den Bundesverband  als Leiter Umwelt, Qualität und Sicherheit.