Logistik-Prof Peter Holm über Trends, Corona, KPIs

Wie hat die Logistikbranche die Pandemie gemeistert? Wie kann es gelingen, dass Straße und Schiene noch mehr zusammenwachsen? Warum ist die Cloud-Technologie mit Unterstützung der richtigen Kennzahlen der wichtigste Zukunftstrend? Logistik-Professor Dr. Peter Holm gibt im Interview Antworten auf diese Fragen. Zeitlos bleibt in der Logistik ein Grundsatz: Timing ist alles.

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Corona ist das alles beherrschende Thema in der Wirtschaft, wie ist die Transport- und Logistikbranche durch die Krise gekommen?

Prof. Holm Als es im März 2020 kein Klopapier mehr gab, nachdem die globalen Lieferketten unterbrochen wurden, ist uns allen bewusst geworden, dass die Logistik zu den systemrelevanten Branchen gehört. Niemand hat damit gerechnet, dass einige Konsumenten die Supermärkte leer kaufen würden. Und Klopapier war ja nicht das einzige Gut, das knapp wurde. Ein Problem war zu Beginn der Pandemie, dass weltweit die Kapazitäten in der Luftfracht um ca. 50 % zurückgegangen sind. Der Linienflugverkehr stand still und in Passagierflugzeugen wird in der Regel auch sogenannte „Belly-Fracht“ transportiert. Viele Logistiker haben dieses Problem im Lockdown aber schnell in den Griff bekommen. Die Lufthansa zum Beispiel hat ihre Passagierflugzeuge umfunktioniert und die Sitzreihen ausgebaut, um Fracht zu transportieren. Wichtig – auch für die Zukunft – ist es für Logistiker und Produktionsstätten Resilienz aufzubauen. Das geht durch die Erschließung neuer Umsatzströme und eine Verbesserung der Flexibilität.

Ist das Gröbste überstanden?

Prof. Holm Noch nicht. Der Zusammenbruch der Lieferketten hat unter anderem in einer extremen Knappheit von Halbleitern resultiert, da die großen Produktionsstätten für Halbleiter in Asien stehen. VW hätte mit der ausreichenden Versorgung an Halbleitern zum Beispiel 100.000 Autos mehr bauen können. Hinzugekommen sind Vorfälle wie die Blockade des Suezkanals durch das Containerschiff „Ever Given“ sowie die aktuellen Folgen der teilweisen Stilllegung des Hafens von Yantian/Shenzen. Zehntausende von Container werden aktuell nicht verladen und der sich daraus resultierende Stau lähmt den gesamten Welthandel.  Über den Seeweg wird das Gros aller Waren transportiert, gleichzeitig haben sich die Frachtraten auf der Route von Shanghai nach Europa im Rahmen der Corona-Krise von ca. 1500 $ auf 10.000 $ (1 Container) verfünffacht. Neben den erhöhten Frachtraten ist der weltweite Mangel an Containern als weiterer Punkt zu erwähnen, wodurch nicht davon auszugehen ist, dass das Gröbste kurzfristig überstanden sein wird.

Wichtige KPIs im Forderungsmanagement

  • Days Sales Outstanding (DSO) – Die Forderungslaufzeit bezeichnet die Anzahl der Tage, die vom Zeitpunkt der Rechnungsstellung bis zum Zahlungseingang auf dem Bankkonto bzw. in der Kasse des Lieferanten vergehen.
  • Collector Effective Index (CEI) – Der CEI wird verwendet, um den Erfolg der Mitarbeiter:innen zu messen, Gelder vom Gläubiger beizutreiben. Gemessen wird der Prozentsatz des beigetriebenen Volumens am Gesamtvolumen. Die Kennzahl ermöglicht eine etwas höhere Genauigkeit als die Messung der DSO.
  • Right Party Contacts rate (RPC) – Die RPC ist eine Outbound-Call-Metrik, die untersucht, wie gut Unternehmen mit der „richtigen“ Person in Verbindung treten. Sie ist das beste Maß für die Gesamteffektivität der Outreach-Bemühungen und die Qualität der Kontaktdatenbank.
  • Promise to Pay (PTP) – Das PTP beschreibt den Prozentsatz der Anrufe, die zu einem Zahlungsversprechen führen. Diese Vereinbarung beinhaltet z. B. die Höhe der ausstehenden Schulden, die Bedingungen, unter denen das Geld zurückgezahlt wird, der Zinssatz und die Konsequenzen, wenn das Geld nicht rechtzeitig zurückgezahlt.
  • Profit per Account (PPA) – Der PPA ist eine Metrik, die die durchschnittlichen Erträge misst, die von jedem Konto im Inkasso generiert werden. Relativ niedrige Werte weisen in der Regel auf ineffiziente Prozesse hin.
  • Recovery Rate (RR) – Beschreibt den Prozentsatz der beigetriebenen Forderung. Ihr Gegenstück ist die sogenannte Write-off Rate.
  • Cost to collect (CTC) – Die CTC ist ein Leistungsindikator, der Effizienz und Produktivität misst.

Stichwort Resilienz: wie justiert die Branche nach und welche Trends stehen auf der Agenda?

Prof. Holm Die großen Themen in der Logistik sind die Digitalisierung und der Klimawandel. Große Innovationen gibt es zum Beispiel in der Entwicklung von Lkw oder Flugzeugen. Die Lufthansa arbeitet zum Beispiel an einem CO2-neutralen Flugzeug. Im Zuge der aktuellen Pandemie sowie der erhöhten Unsicherheiten muss es das Ziel sein, die Widerstandsfähigkeit bzw. die Reaktionsfähigkeit der Lieferketten zu erhöhen und hierbei die Möglichkeiten der Digitalisierung (Cloud und Iot-Lösungen) noch stärker zu nutzen.

Viel diskutiert wird über die Vernetzung von Straße, Schiene und Wasser. Wie kann es gelingen, diese Strömungen besser miteinander zu verbinden?

Prof. Holm Grundsätzlich kann man in Deutschland von drei großen Verkehrsströmungen sprechen. Zum einen ist da der Güterverkehr durch Lkw. Er macht etwa drei Viertel am Gesamtvolumen aus. Auf Platz zwei steht der Schienenverkehr mit etwa 17-20 %, danach kommt die Seefracht mit ihren Containertransporten und der Binnenschifffahrt. Das Ziel der Politik ist es zweifellos, mehr Güter auf die Schiene zu bekommen, und das geht nur im Miteinander. Dafür sind digitale Schnittstellen notwendig und auch eine entsprechende Infrastruktur. Es zum Beispiel so, dass Verladebahnhöfe künftig immer näher an Produktionsstätten gebaut werden. Und dann gibt es da zum Beispiel auch das Bündnis Truck2Train, das auch kleinen und mittelgroßen Unternehmen die Anbindung an die Schiene möglich machen möchte.

Was bedeutet das für die Wahl der Software?

Prof. Holm Die Software muss eine Verknüpfung zu Zulieferern und Abnehmern gewährleisten. Das Datenmanagement ist mit Cloud-basierter Software natürlich einfacher umzusetzen. Dahin geht ganz klar der Trend. Wichtig ist Transparenz, da die Prozesse immer komplexer werden. Gleichzeitig wird es auch immer schwieriger, diese Transparenz zu erzeugen. Auch im Hinblick darauf, dass der Digitalisierungsgrad im Logistik-Mittelstand noch gering ist, viele Systeme sind veraltet.

Was bedeutet das für die Lieferketten?

Prof. Holm Es ist heutzutage im Rahmen von Just-in-Time-Lieferungen immer wichtiger, genau zu wissen, welcher Bedarf wann vorhanden ist, um was zu produzieren. Viele Autohersteller haben zum Beispiel gar keine Lagerhaltung mehr und die Taktung wird immer enger. Dafür sind perfekte Systeme notwendig, die Echtzeitdaten verarbeiten können. Hinzu kommen Risiken, die kontinuierlich im Blick behalten werden müssen: Extremwetterereignisse, Cyberrisiken, ein Ausfall der IT-Infrastruktur. Um die Eintrittswahrscheinlichkeiten für solche Risiken auszurechnen, sind natürlich entsprechende KPIs wichtig,

Welche KPIs sind darüber hinaus besonders wichtig in der Logistik?

Prof. Holm Der Anspruch an Logistik-Kennzahlen ist hoch, weil diese immer mehrere Dimensionen abbilden müssen. Um diese Frage zu beantworten, würde ich vier Oberkategorien bilden:

  • KPIs Globale Lieferketten/Kundenperspektive: z. B. Kundenzufriedenheit, Reaktionszeit, etc.
  • KPIs Abläufe/Prozesse: z. B. Durchlaufzeiten, Bearbeitungszeit der Projekte, etc.
  • KPIs Einkauf: z. B. Compliance Rate, Lead Time, Kapitalrendite (ROI)
  • KPIs Finanzen: z. B. Working Capital, EBIT Marge

Zum Gesprächspartner

Prof. Dr. Peter Holm ist Prodekan am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften an der Provadis School of International Management and Technology. Dort unterrichtet er die Fächer Logistik, Supply Chain Management. Zu seinen besonderen fachlichen Interessensgebieten gehört die Digitalisierung, das Thema Nachhaltigkeit und das Logistik Supply Chain Management.

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